Ein Welpe im Lockdown

Es sind schon besondere Zeiten. Wir haben hier inzwischen ein paar Welpen und Junghunde großgezogen – und sind dabei immer pragmatischer geworden, wenn es darum geht, dem Welpen etwas für’s Leben beizubringen. Jetzt müssen wir doch etwas mitdenken, damit das klappt.

Der Knackpunkt dieser ersten Wochen ist die vernünftige Habituation und Sozialisation des Hundes. Habiwas? Unter Habituation versteht man die Gewöhnung an die unbelebte Umwelt: fahrende Autos, verschiedene Untergründe, seltsame Geräusche, Kuh und Pferd (ja, auch die gehören zur unbelebten Umwelt, wenn man dem Welpen nicht beibringen möchte, dass Kuh und Pferd zur eigenen Familie gehören). Zu Sozialisieren gibt es viel und wenig – normalerweise sind es Menschen und Hunde, manchmal auch noch Katzen (oder eben Kühe und Pferde, wenn man sich die Couch mit denen teilt). Alles, was ein junger Hund von jetzt ab als auf gleicher Augenhöhe, als Lebewesen, mit dem man prinzipiell kommunizieren kann, erkennen soll, gehört in eine gute Sozialisation aufgenommen. Das bedeutet allerdings – und das wird immer wieder missverstanden – nicht, dass Welpe ab jetzt alles und jeden lieben soll: Fremde Menschen und Hunde sind natürlicherweise etwas, das man mit dem gebührenden Respekt und einer angemessenen Portion Vorsicht genießen sollte.

Für uns hat das immer bedeutet, dass Welpen uns im Alltag begleiten und wir unseren Alltag dabei um die Aspekte bereichern, die sich anbieten. Ein Beispiel gefällig? Auf dem Weg zum Baumarkt kann man geradeaus über den asphaltierten Gehweg gehen – oder man kann das kleine Mäuerchen zeigen und den Welpen darüber klettern lassen, das Lüftungsgitter an der Hauswand (Achtung, Pfötchengröße und Gitterlochgröße beachten!), eine Blechauflage auf einem Kelleraufgang. Vielleicht ist auf dem Parkplatz des Baumarktes etwas mit Flatterband abgesperrt? Mitnehmen! Man braucht so länger, aber so in den Alltag eingebunden, werden Flächen und Gegenstände nicht zu etwas Besonderem, sondern zu etwas Unspektakulärem… und genau das ist das Ziel. Was wir nie gemacht haben, ist, eine Liste an Dingen abzuarbeiten, an die man Welpe gewöhnen könnte. Wir üben nicht, mit den Öffis zu fahren, weil wir praktisch nie mit Öffis fahren. Wir üben aber, auch mal an ungewöhnlichen Orten rumzustehen und zu -sitzen, auch mal, wo es etwas beengt ist – eine solche Erfahrung lässt sich dann nämlich einfach auf Öffis (oder Aufzüge) übertragen, sollte es je dazu kommen, dass wir mal in den Dorfbus einsteigen müssen. Wir freuen uns, wenn Fremde unseren Welpen freundlich ansprechen und bewundern und der dafür mal schnuppern geht. Wir wollen nicht, dass Welpe Hinz und Kunz ungefragt auf den Schoß steigt.

Angua mit 16 Wochen

Jetzt sind wir zum ersten Mal in der Situation, dass wir Ausflüge explizit planen. Denn normalerweise geht nur noch einer von uns einkaufen, alle beruflichen Reisen sind gestrichen und unser geliebter Angelladen hat zu. Im Grunde wandere ich seit Wochen nur zwischen der Wohnung und dem Büro auf dem gleichen Hof hin und her – natürlich mit Welpe. Was machen wir jetzt also? Nun… ich fahre mit zum Einkaufen. Und dann verbringe ich meine Zeit mit dem Welpen auf dem Supermarktparkplatz. Hier sind das mehrere Fliegen mit einer Klappe, denn im gleichen Gebäudetrakt ist auch ein Zoofachladen. Angua lernt irre viel: Autos – langsame und schnellere, lärmende Einkaufswagen, Fahrräder – bewegt und unbewegt, Essensgerüche und Müll, viele, viele Menschen, die gehetzt oder gelangweilt, interessiert oder völlig auf ihre Sache fokussiert an ihr vorbeilaufen. Manche sprechen mich oder sie an, andere nicht. Menschen mit Hunden! (Angua brüllt den Parkplatz zusammen und ich spreche mit ihr darüber, dass wir an dieser Lösung noch etwas arbeiten möchten, bittedanke.)

Ich nutze Leckerchen, um ihr immer wieder dabei zu helfen, die Umwelt nicht zu wichtig zu nehmen und um mit ihr zu trainieren, dass sie sich im Zweifelsfall an mich wenden soll. Und ich nutze Langeweile, um ihr Zeit zu geben zu verstehen, dass Umwelt so spannend wie Fernsehen ist. Ich unterstütze ihre Neugier und erinnere sie daran, dass ein „Nein“ auch hier gilt: weggeworfene und festgetretene Kaugummis werden nicht vom Parkplatz gepopelt. Wir positionieren uns erst etwas abseits, bis Angua sich nicht mehr mit allen Reizen beschäftigen muss. Dann positionieren wir uns nahe des Eingangs, denn jetzt laufen viele Menschen relativ schnell annähernd direkt auf uns zu. Das ist etwas gruselig, wenn man nicht weiß, dass all diese Menschen gar nichts von Welpen wollen, sondern dann ganz unspektakulär an einem vorbei gehen. Wir wandern über einen ruhigeren Teil des Parkplatzes und betrachten so die Szene aus unterschiedlichen Perspektiven. Dann begrüßen wir Herrchen (nachdem wir ihn erkannt haben) und fahren nach Hause. Und beim nächsten Mal reden wir noch mal über die Geschichte mit den fremden Hunden. 😉